Und der Bundesrat dachte eigentlich, dass es gut war. Aber siehe, da kam eine grosse Unruhe übers Land, und die Trychler schrien auf dem Bundesplatz gen Himmel, und der Bundesrat erschrak und sprach: «Covid-19 ist vorbei! Gehet hin in Frieden und macht, was euch gelüstet.» Das war im Februar. Und er hub an und sprach: «Wir waschen unsere Hände in Unschuld. Feiert Partys, drängelt euch in Menschenmengen, besabbert euch im Tram, hustet euch ins Gesicht, ihr seid frei, wie die Väter waren. Nur eines dürft ihr nicht tun: Füllet nicht die Spitäler, und wenn doch, nicht die Intensivstationen, jammert nicht über Long-Covid, wenn ihr daran leidet, applaudiert weiter dem Pflegepersonal, lasst den Erzengel Engelberger endlich in Ruhe, und esset vor allem nicht vom Baum der Erkenntnis, wobei die Trychler dürfen das, denn bei denen nützt es eh nichts, Halleluja.»
Und der Bundesrat sah, dass es gut war. Die Toten starben weiterhin mit und nicht an, und abgesehen davon waren sie eh schon im sterbefähigen Alter. Und siehe, die ewigen Besserwisser wurden ruhig, denn es gab keine Übersterblichkeit oder sonst eine statistische Anomalie, sondern es herrschte Ordnung bei den Zahlen. Das Volk soff und grillte, dass es eine Freude war, und übte sich in endloser Eigenverantwortung. Die Viren mutierten, was das Zeug hielt, aber auch sie hielten sich, wie alle Geschöpfe, an die zehn Gebote («Du sollst nicht die Intensivpflege beanspruchen!»). Und das Lamm frass nicht den Löwen, und die Vulnerablen hielten die Fresse und keuchten friedlich vor sich hin. Der Bundesrat schaute über das Land, und es herrschte Freude in ihm, und er konnte sich endlich dem leicht belasteten Verhältnis zu den USA widmen (Scheissoligarchen!). Und wenn die Zweifel den Bundesrat plagten, schaute er nach China und dann wurde er wieder schampar froh, denn die kacken dort grad voll ab und machen es nicht besser. Oder die in Dänemark, oder die in Schweden, oder wo die nordischen Streber halt sonst überall zu Hause sind.
Aber dann beliebte es dem Herrn, ein neues Virus zu senden, tausendmal ansteckender als das letzte. Das war im März. Und der Bundesrat hub an und sprach: «Für die meisten bekannten Virusvarianten besteht bei vollständiger Impfung weiterhin ein hoher Schutz gegen schwere Krankheitsverläufe. Für einzelne Varianten sind noch keine abschliessenden Erkenntnisse vorhanden.» Und siehe, so übte er sich weiter im Blindflug, denn da sich gar niemand mehr testen liess, war auch die Datenlage mehr als vorbiblisch, und verlässliche Aussagen waren so rar wie Impfstoff in Afrika. Denn der Geist weht, wo er will, und manchmal will er nicht so ganz über den Behörden wehen. Aber weiterhin litten nur die Alten unter der ordentlichen Lage, und von denen gab es ja eh genug, und so mancher Pflegeheimplatz konnte in diesen schwierigen Zeiten zwei-, dreimal belegt werden, Halleluja!
Und der Bundesrat liess es Sommer werden über dem Land, die Wohnwagenparks füllten sich, die Flieger flogen, die Grills glühten, die Krankheitsverläufe blieben beruhigend milde, und die Impfeinrichtungen im ganzen Land wurden abgebaut, weil nichts wichtiger ist als die Hoffnung. Und der Bundesrat sah, dass es gut war, denn niemand hatte bemerkt, dass seine Durchseuchungsstrategie in die Hosen gegangen war.
Und dass der Herbst kommen würde, das konnte ja nun wirklich niemand voraussehen, und dass das Virus cleverer ist als der Bundesrat, dafür kann es ja auch nichts, Amen.
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