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Atomkult

Mal ehrlich, die Lage beim Atomgüsel-Lagern ist derart verkorkst, dass es ja nur noch zwei Lösungen gibt: Eine, die tabu ist, die aber eintreten werden wird, und eine, die komisch tönt, die aber die einzig vernünftige wäre. Bei der Herausforderung, einen Haufen brandgefährlicher Fässer 100 000 Jahre lang sicher (!) aufzubewahren, stossen wir an unsere Grenzen. Niemand kann sich das vorstellen. Niemand weiss eine Lösung. Noch nie hat jemand so etwas gemacht. Und sogar diejenigen, die behaupten, sie wüssten wie, können nicht wissen, ob sie sich irren. Denn jedes Endlagerkonzept ist so etwas wie eine Wette auf die Zukunft. Also eine Prognose. Und die sind immer unsicher, insbesondere, wenn sie die Zukunft betreffen, wie Niels Bohr gesagt hat. Und der muss es ja wissen, er war Atomphysiker.

In Artikel 40 des Kernenergiegesetzes steht: «Der Bundesrat schreibt die dauerhafte Markierung des Lagers vor.» Dauerhaft meint mindestens 10 000 Jahre. Vor 10 000 Jahren wurde, laut Wikipedia, die Hausziege im Vorderen Orient domestiziert, und in Südchina stellten sie einfache Keramik her. Bei uns in Europa war Steinzeit und die Menschen lebten in Höhlen. Nix Keramik, nix Hausziege. Und schon gar keine Bücher oder Disketten, noch nicht mal Menhire oder Runen. Nur Höhlenmalerei gab es bereits. Ist das die Lösung? – Eine der vielen Ideen, die mittlerweile für das Problem der Überlieferung und Kommunikation ersonnen wurden, heisst «Schaffung mythologischer Erzählungen». Die logische Verbindung hiesse: Höhlencomics! Auf Sprechblasen, Symbole oder Zeichen, also Schrift, müsste allerdings verzichtet werden. Nur Bildli wären dauerhaft. Und auch nur dann, wenn sie die Realität abbilden. Eine Realität, die dann aber ein paar hundert Meter unter dem Boden ist.
Wenn etwas allzu anders wird, können wir es nicht mehr erkennen. Wir können zwar bestehende Realitäten extrapolieren, und wir können Szenarien entwerfen. Nur wissen wir nicht, welches das richtige ist. So haben wir zum Beispiel der Raumsonde Voyager eine Schallplatte mitgegeben, worauf unter anderem Männerhausgesänge aus Neuguinea drauf sind. Klar doch, auf Alpha Zentauri können sie den mitgelieferten Plattenspieler bedienen und erkennen das Gemöhne mühelos als Volksmusik. Ob es dem intergalaktischen Frieden nicht zuträglicher gewesen wäre, ein paar Kussgeräusche von Jean-Claude Juncker auf die Platte zu ritzen, wissen wir allerdings nicht. Aber es verweist auf unsere kümmerliche Extrapolationskompetenz, denn 1977 hatten wir offensichtlich noch nicht mal den Hauch einer Ahnung, dass Juncker mal EU-Präsident werden würde. Item: Wir sollten ohnehin nicht lange nach einem neuen atomaren Nationalmythos suchen, denn wir haben ja bereits den Schweizerpsalm, wo es heisst: «Seh’ ich dich im Strahlenmeer.» Na also.

Aber Sie wollten ja noch wissen, wie die beiden Lösungen heissen. Nun, diejenige, bei deren Erwähnung man geteert und gefedert wird, die aber eintreten wird, ist, dass einer Region schlicht ein Tiefenlager aufgezwungen wird, schön demokratisch und mit ein paar 100 Millionen versüsst. Denn warum auch sollte eine Region freiwillig zustimmen? Und die andere wäre, den Müll nicht zu verlochen, sondern ihn oberirdisch und gut sichtbar aufzubewahren, zum Beispiel auf einer künstlichen Insel mitten im Zürisee. Da erübrigt sich dann auch die Markierung, die Mythologisierung und mein persönliches Problem, dass die Wassertemperatur für mich meist zu tief ist zum Baden. Aber Sie haben natürlich Recht: Über so was macht man keine Scherze.

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BZO: Leben statt Profit!

Jede Revision einer Bau- und Zonenordnung (BZO) wirft im Voraus hohe Wellen. Dieses Mal scheint es gar ein kleiner Tsunami zu sein. Um die Aufregung im Vorfeld eines solchen Sachgeschäfts zu verstehen, muss man sich vor Augen halten, dass es im kommunalpolitischen Kalender wohl kaum ein Thema gibt, bei dem derart enorme Geldsummen auf dem Spiel stehen wie bei einer BZO. Denn, vereinfacht gesagt, legt diese Planung fest, welche (Aus-)Nutzung auf welchem Grundstück zulässig ist. Und das geht gewaltig ins Geld. Dagegen sind Projekte wie ein Fussballstadion oder ein Kongresshaus geradezu ein Nasenwasser. Continue reading „BZO: Leben statt Profit!“

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„Hotel Suff“ – lieber nicht

Erschienen im „Zürich West“ vom Sept. 2014.    Nicht mit Ruhm bekleckert hat sich das Stadtzürcher Parlament beim Thema „Zürcher Ausnüchterungs- und Betreuungsstelle“, abgekürzt ZAB und vom Volksmund bekanntlich „Hotel Suff“ getauft. Diese Einrichtung der Stadtpolizei existiert schon seit längerem in dieser oder anderer Form und war immer wieder Gegenstand von Kontroversen. Nun hat sie der Gemeinderat, zu Handen einer freiwilligen Volksabstimmung, die vermutlich im November stattfinden wird, mit einer Rechtsgrundlage versehen und diese knapp verabschiedet. Richtig glücklich ist aber niemand dabei. Continue reading „„Hotel Suff“ – lieber nicht“

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Haldenstrasse und kein Ende

Blenden wir zurück: In den 70-er Jahren tobte im Säuliamt der Kampf um die N4. Die Befürworter versprachen die Entlastung der Dörfer vom Durchgangsverkehr, die Geg-ner wussten schon damals, dass das ein Irrtum war. Die Schlacht war erbittert und dauerte Jahre. Gefochten wurde mit harten Bandagen. Alt-Nationalrat Hans Steiger etwa erinnert sich, dass Flugblätter im Umlauf waren, welche die Autobahngegner als potenzielle Kindermörder betitelten, weil sie verhindern würden, dass die Dörfer vom Verkehr entlastet werden…

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Wachstum oder Zuwanderung begrenzen?

Erschienen im PS vom 14. Juli 2011

Gleich drei Volksinitiativen greifen im Wahljahr das Zuwanderungsthema auf: Unter dem Titel der Sorge um Natur und Infrastruktur wollen sie die Zuwanderung begrenzen. Ist das ein grüner Ansatz? Löst das die Probleme, oder ist es nur Symptombekämpfung? – Eine Antwort im Spannungsfeld zwischen Bevölkerungswachstum, Wirtschaftsförderung und Ressourcenverbrauch.

Noch nicht mal die Problematik ist eindeutig. Während die Wirtschaftsmotoren Genf und Zürich über „Dichtestress“ klagen, entvölkern sich ganze Täler und Gegenden im ländlichen Raum. Und während intensiv darüber gestritten wird, ob eine zusätzliche Gotthardröhre und nochmals eine schnellere Verbindung Zürich-Bern gebaut werden solle, sind Hunderte von Gemeinden einfach nur froh, wenn wieder einmal eine Familie zuzieht oder eine Postautoverbindung nicht aufgehoben wird. Continue reading „Wachstum oder Zuwanderung begrenzen?“

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