Die Geschichte ist so alt, dass ich selber nicht mehr weiss, woher ich sie habe: Der amerikanische Präsident (und vermutlich auch sein russisches, französisches, chinesisches etc. Pendant) werden von einem Menschen mit einem Atomköfferchen begleitet. Dieses enthält den Code, mit dem die Welt vernichtet werden kann. Bei passender Gelegenheit pfeift der amerikanische, russische, chinesische etc. Präsi also den Köfferlimenschen zu sich, nimmt den Code – und lässt die Welt untergehen. Diese obszöne Fallhöhe zwischen der Leichtigkeit des Kofferöffnens und der Vernichtung der Menschheit hat irgendeinen Schlaukopf auf eine Idee gebracht: Angemessener wäre es, wenn die Weltzerstörer von einem Freiwilligen begleitet würden, der in seinem Koffer nicht den Atomcode, sondern ein scharfes Messer trägt; den Code hat er implantiert in seiner Brust. Will der Präsident die Welt in die Luft jagen, muss er mit dem Messer zuerst – immerhin! – einen Menschen selber umbringen, aufschlitzen, den Code entnehmen, und erst dann kann er den Rest der Menschheit erledigen, denn machen wir uns nichts vor, Atomkriege sind nicht eindämmbar. Se non è vero, è ben trovato, und die Geschichte, so zynisch sie ist, entbehrt nicht einer tieferen Wahrheit.
So erstaunte es mich nicht gross, dass die Qualitätszeitung als letzten Aprilscherz die Geschichte kolportierte, dass im stillgelegten Schlachthof zu Züri ein Showroom eingerichtet werden solle, in der die Schulkinder der Schlachtung eines Säuli beiwohnen könnten, so mit allem Drum und Dran, was halt notwendig ist, falls wir Schnitzel und Wurst essen wollen. Alltag für Landleute, Fremdheit für fleischfressende, aber nicht selber metzgende Stadtkinder. Vermutlich hat es so manche getschuderet bei der Lektüre, aber was will man: War ja irgendwie logisch und konsequent.
Und nun muss ich Ihnen gestehen, dass ich darin selber Erfahrung habe: Mein Götti war Grossviehtierarzt auf dem schwäbischen Land, und ich hab so manche Ferien bei ihm verbracht. Er nahm uns Kinder grosszügig mit auf seine Touren, und so kam ich in frühester Kindheit, mit grossen Augen in der Stalltüre stehend und weder von einem Careteam, noch sonst wie betreut, denn mein Götti war ja selber Akteur, in den Genuss seltener Vorführungen wie etwa einer Embryotomie (bitte später nachschlagen, sonst kotzen Sie jetzt), diverser Ferkel-Kastrationen, von künstlichen Besamungen, die so gar nichts Romantisches an sich haben, und, ja, auch von einer Notschlachtung einer Kuh in einem weissgekachelten Schlachtraum neben einem Bauernhof. Halt alles, was die kapitalistische Verwertungslogik so mit der Ware Tier anstellt. Ich hab noch jedes Detail in Erinnerung, und was soll ich Ihnen sagen – ich bin weder traumatisiert, noch waren wir damals schockiert, noch war ich im Nachhinein entsetzt darüber, was ich da erlebte. Ich hätte ja wegrennen oder die Augen schliessen können. Tat ich aber nicht. Ich war schlicht nur fasziniert. Und da sich mein Götti, ganz der miserable Kleinunternehmer, gerne mal in Naturalien bezahlen liess, ernährte ich mich in diesen Ferien alles andere als vegan, auch nach gehabter Vorführung.
Ich lass das mal so stehen. Eine Moral der Geschicht’ gibt es, wie immer, nicht. Ausser vielleicht beim aktuellen amerikanischen, russischen etc. Präsidenten, denen ich locker zutrauen würde, dass sie das mit dem Abschlachten mit links erledigen täten. Und das schockiert mich dann schon eher.
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