Artikel, p.s. Zeitung

Einhausen für Dummies

In der folgenden Geschichte, ich schwör beim Barte des Verkehrsministers, ist jedes Wort wahr: Vor vielen Jahrzehnten besuchte ich übers Wochenende eine ehemalige Studienkollegin in Vaduz, die dort eine Gymilehrerinnenstelle angetreten hatte. Sie zeigte mir ihre Arbeitsstätte, einen modernen Zweckbau ganz in Stahlglasbeton – mit einem kleinen Schönheitsfehler: Irgendein Chaot hatte wohl gedacht, er müsse ein bisschen den 80er-Bewegten raushängen, und er sprayte mit Farbe irgendeinen Slogan, sagen wir: «Punk not dead», ins Treppenhaus an die Betonbrüstung. (Für «Fürst, du Globi» fehlte ihm offenbar der Mut.) Die Schulleitung fand das gar nicht gut und beauftragte den Hauswart mit der Entfernung der Schmiererei, und dieser, in solchen Dingen nicht so bewandert, wird es zwar mit Javelwasser und Schwamm versucht haben, aber Spray auf Beton ist eben nicht Öl auf Leinwand, und so sah er ein, dass er zu gröberen Mitteln greifen musste. Er besorgte sich ein Sandstrahlgerät und putzte, fein säuberlich die Buchstaben präzise nachzeichnend, die Inschrift weg: Aufgabe erledigt. Und so steht, vielleicht bis heute noch, eingemeisselt an dieser Mauer «Punk not dead» oder so.

Sie können jetzt schon lachen, aber Tatsache ist, dass genau dasselbe, wenn auch etwas voluminöser, morgen in Zürich-Schwamendingen eingeweiht wird. Denn vielleicht ebenfalls in den 80ern kam irgend so ein Strassenbeamtenchaot in Bern auf die Idee, man könnte doch dieses Quartier mit einer Autobahn entzweischneiden. (Wir haben das übrigens mal im Rahmen eines Forschungsprojekts in Winterthur-Töss am Beispiel der Zürcherstrasse erforscht, und ich kann Ihnen bestätigen: Es gibt in der Tat nichts Besseres als eine mehrspurige Strasse – wenn Sie ein Quartier kaputt machen wollen.) Jahrzehnte später, als die Klagen dann doch zu gross wurden, kam ein würdiger Nachfolger des Volldeppen auf die gloriose Idee, man könnte doch die Strasse mit einer Schuhschachtel überdecken, die haargenau dem Strassenverlauf folgt, und so die Riegelfunktion noch in der dritten Dimension hervorhebt. Gesagt, getan. Und so steht heute eine in kleidsamem Waschbeton ausgeführte Einhausung mitten und sehr trennend im Quartier. Ausser dem Lärm, der tatsächlich verschwunden ist, ist rein gar nichts besser als zuvor. Das ganze nennt sich trotzdem Stadtreparatur. Eine der Pointen: Es gelang immerhin, den Bund, der das bezahlt, zu überzeugen, eine speziell dicke Betondecke zu bauen, auf die man speziell viel Erde schaufeln kann, in die man dann richtige Bäume pflanzen kann. Und weil die Hässlichkeit des Bauwerks dann doch auch den Verantwortlichen aufgefallen ist, beschlossen sie, die Wände der Schachtel zu begrünen, was eine rechte Herausforderung ist. Nennt sich dann wohl: Reparatur der Stadtreparatur. Und noch eine Pointe: Nachdem die Quartierbevölkerung jahrzehntelang gelitten hatte und sich schon auf zumindest ruhigere Zeiten freute, geschah das, was in Zürich immer passiert, wenn die Autos wegspediert werden: Der Bodenpreis explodierte, und sozusagen alle Häuser links und rechts der Strasse werden abgerissen und neu gebaut: Bevölkerung weg, Gentrifizierung da.

Sie können jetzt schon lachen, aber: Das ist der Alltag in der Raum- und Verkehrspolitik in diesem Land. Statt weniger Autos, wie vom Gesetz eigentlich vorgeschrieben, oder mindestens einer Tieflegung unter den Boden baut man Schachteln, was am einfachsten ist. Quasi Sandstrahlen für Verkehrspolitiker.

Der Beitrag Einhausen für Dummies erschien zuerst auf P.S..

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