Artikel, p.s. Zeitung

Wem sini Zuekunft?

Sie beschäftigt mich schon die Jugend, auch wenn ich schon lange nicht mehr dazu gehöre. Meine Gedanken kreisen oft um sie und es gehört auch nicht so viel Phantasie dazu, um sich einzudenken. Wie es der Jugend geht, wissen wir nicht so ganz genau, das war schon immer so, weil es «die Jugend» nicht gibt. Dazu gibt es jede Menge Déjà-vues: Dass die Jugend mehr Probleme habe als andere Altersklassen, dass es die Jugend eh schon schwer habe (Pubertät, verlängerte Adoleszenz, Berufswahl, Depressionen), dass die Jugend keine Lobby habe, dass sich die Pandemie besonders verheerend auf sie auswirke, und so weiter – und eines bleibt konstant, da eine Banalität: Nur die Jugend hat derart viel Zukunft, und damit mit gutem Grund Zukunftsängste, wie die Jugend.

 

Nochmals eine Banalität: Als meine erste Enkelin vor drei Jahren auf die Welt kam, realisierte ich plötzlich und mit Schrecken, dass sie alle Chancen hat, das Jahr 2100 zu erleben. 2100 gilt in der Nachhaltigkeitsforschung als Annus horribilis. Sie müssen nur mal ein paar entsprechende Suchwörtli eingeben – es wird nichts Tröstliches, Optimistisches oder nur schon Moderates kommen. Dafür lauter Dystopien, Katastro­phen und Horrormeldungen, wobei man immerhin einwenden kann, dass eine Voraussage auf eine solch lange Frist eh unseriös ist. Dennoch, und umso mehr: Gerade weil 2100 derart die Hölle werden könnte, weiss ich seitdem noch mehr, dass wir alles in unserer Macht stehende unternehmen müssen, damit das nicht passiert.

 

Dass viel schief läuft, wird heutzutage nur noch von denen bestritten, die von der Lage profitieren bzw. suchtmässig davon abhängig sind, wie etwa Ölhändlerinnen, SUV-Verkäufer oder Kohlebergbauaktienbesitzerinnen. Wir anderen wissen darum, und dieses Wissen macht Angst. Wieviel Angst müssen erst Kinder und Jugendliche haben, wenn sie sich ausrechnen, was passiert, wenn nichts passiert? Nur haben wir Angst davor, alles zu verändern, und die Jugend hat Angst davor, wenn sich nichts ändert.

 

Also zum Eingemachten: Wer hat Macht? Wer hat Verantwortung? Warum führen wir nicht morgen schon mal als winziger Anfang das Stimmrechtsalter Null ein nach dem Motto «Ein Mensch, eine Stimme»? Und warum stellen wir uns nicht schon heute die richtigen Fragen, wie etwa: Warum zum Henker gehen wir allen Ernstes davon aus, dass unsere heutige Verschwendungswirtschaft ein weltverträgliches Wirtschaftsmodell sein könnte, das bis 2100 und darüber hinaus funktioniert? Das ist ja noch nicht mal heute und global der Fall! Warum, um mit Greta zu sprechen, benehmen wir uns nicht, wie wenn das Haus in Flammen stehen würde? Denn das tut es.

 

Haben Sie gewusst? In der Schweiz wurde das 1,5-Grad-Ziel, momentan das Mass aller (Klima)Dinge – bereits überschritten. Haben Sie nicht gewusst? Können Sie beim BAFU nachlesen. Ist öffentlich zugänglich und lesen können Sie. Und das ist nur eines von diversen Beispielen dafür, dass und wie sehr das Haus in Flammen steht. Vor der Klimakonferenz in Katowice sagte Greta: «Wir sind nicht hierhergekommen, um die Spitzenpolitiker der Welt anzubetteln. Ihr habt uns in der Vergangenheit ignoriert. Und ihr werdet uns wieder ignorieren. Euch gehen die Entschuldigungen aus. Und uns geht die Zeit aus.» Dem kann ich mich nur anschliessen. Die Hoffnung auf Veränderung ist heute zwar noch ein «trotzdem». Aber die Veränderung wird kommen, weil sie kommen muss. Vielleicht beginnen wir ganz bescheiden mal mit der Debatte über netto null in der Stadt Zürich.

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