Erschienen im „Zürich West“ vom Sept. 2014. Nicht mit Ruhm bekleckert hat sich das Stadtzürcher Parlament beim Thema „Zürcher Ausnüchterungs- und Betreuungsstelle“, abgekürzt ZAB und vom Volksmund bekanntlich „Hotel Suff“ getauft. Diese Einrichtung der Stadtpolizei existiert schon seit längerem in dieser oder anderer Form und war immer wieder Gegenstand von Kontroversen. Nun hat sie der Gemeinderat, zu Handen einer freiwilligen Volksabstimmung, die vermutlich im November stattfinden wird, mit einer Rechtsgrundlage versehen und diese knapp verabschiedet. Richtig glücklich ist aber niemand dabei.
Die Vorlage des zuständigen Polizeivorstands Wolff gerettet haben SP, Grünliberale und Grüne. Mindestens für Letztere war das ein Riesenhüpfer über den eigenen Schatten, ging es uns doch vorab darum, eine Variante durchzubringen, die den Betroffenen nicht allzu hohe Gebühren auferlegt. Es ging also um taktische Zweckheirat, nicht um innige Liebe. Denn ursprünglich waren wir eigentlich dafür, dass eine Ausnüchterung im ZAB, die in der Regel gegen den Willen der Betroffenen passiert, nicht auch noch mehr kosten darf als die Übernachtung in einem 5-Sterne-Hotel. Wenn der Staat schon massiv in die individuelle Freiheit seiner Bürger eingreift, soll er nicht auch noch Geld dafür kassieren. Weil die bürgerliche Ratsseite aber, in eigenartigem Widerspruch zu ihrer üblicherweise gebührenfeindlichen Haltung, plötzlich von „Kostenwahrheit“ sprach und damit gerichtlich unhaltbare Tarife durchsetzen wollte, verhalfen wir Grünen dem stadträtlichen Kompromiss zur Mehrheit, der einen mittleren Tarif vorsieht. Das wird im Abstimmungskampf, man ahnt es, erbittert bekämpft werden, denn CVP, FDP und SVP waren sich nicht zu schade, unter dem polemischen Vorwand, man wolle „keine Kampftrinker subventionieren“, die ganze Vorlage abzulehnen.
Verkehrte Welt
So steht die linksliberale Seite plötzlich als Retterin des AL-Stadtrates da, obschon das ZAB weder links noch liberal ist. Denn einzig sowohl staatspolitisch wie ethisch korrekt ist die Kritik ‒ sie stammte ausgerechnet von der AL ‒, dass der Staat eine nicht kriminelle Handlung (betrunken sein) nicht mit einer Art fürsorgerischem Freiheitsentzug ahnden darf. Falls Vollgetrunkene andere Leute bedrohen, reicht das bestehende Recht aus, besteht aber nur eine so genannten Selbstgefährdung, bewegt sich die Polizei auf juristisch dünnem Eis, denn richtigerweise liegt die Latte bei einem Freiheitsentzug in einem Rechtsstaat äusserst hoch. Gerichtsfälle sind daher mit der verabschiedeten „Lösung“ vorprogrammiert.
So steht uns eine schwierige Abstimmung bevor. Fällt die Vorlage durch, ist vorab die Lage in den Notfalldiensten der Stadtspitäler ungelöst, denn dort landet heute ein rechter Teil der Fälle, was die Notfallstationen stark belastet. Diese Misere darf uns allerdings nicht dazu verleiten, einen Missstand mit einem anderen auszutreiben. Und wenn wir schon von liberalen Haltungen reden: Wer eigentlich spricht von der Eigenverantwortung der zahlreichen Gastwirte und Discounter, die bereits deutlich besoffenen Partygängern immer noch mehr Alkohol verkaufen? Gilt auch in der 24-Stunden-Gesellschaft: Gewinne privat, die Kosten dem Staat?