Zweimal im Jahr spielen sich eigenartige Szenen im Zürcher Ratssaal ab, beim Budget und bei der Abnahme des Geschäftsberichts der städtischen Wohnbaustiftung, die 2013 unter dem programmatischen Titel «Stiftung für bezahlbare und ökologische Wohnungen» vom Volk mit überwältigender Mehrheit angenommen und daraufhin gegründet worden war. Ratsdamen und -herren von links bis rechts geraten in Wallung und versuchen, den Geschäftsbericht, der nur zur Kenntnis genommen werden kann, nicht zur Kenntnis zu nehmen, was etwa ähnlich effektiv ist, wie wenn ich den Klimawandel bekämpfen wollte, indem ich den Hitzesommer nicht zur Kenntnis nehme.
Werfen wir einen Blick zurück auf die Geschichte dieser Stiftung. 1983 setzte die UNO eine Kommission für Umwelt und Entwicklung ein. Das Revolutionäre dieser Kommissionsarbeit war schlicht und ergreifend, diese beiden Begriffe zusammenzudenken. Sie stellte in ihrem Bericht «Our Common Future» fest, «dass kritische, globale Umweltprobleme hauptsächlich das Resultat der grossen Armut im Süden und der nicht nachhaltigen Konsum- und Produktionsmuster im Norden sind. Er verlangt somit eine Strategie, die Entwicklung und Umwelt zusammenbringt. Dies wird mit dem heute geläufigen Begriff ‹sustainable development› umschrieben», wie beim Bundesamt für Raumentwicklung nachzulesen ist. Damit wurde der Hauptwiderspruch der globalen Politik, der Grundkonflikt zwischen Entwicklung und Umweltkonsum bzw. -belastung gültig formuliert und 1992 an der Konferenz in Rio auch weltweit anerkannt. Ausser in Nordkorea, in der NZZ und im Ratshaus.
Bricht man diesen Widerspruch herunter auf das Thema Wohnbau, wird das Problem sofort klar: Bausubstanz muss regelmässig erneuert werden. In der Schweiz passiert das mit einer Rate von knapp zwei Prozent pro Jahr, also langsam, aber eben oft zu schnell. Bauen wie Erneuern bringt potenzielle Nachteile: Es verändert die soziale Struktur in den betroffenen Räumen und es belastet die Umwelt. Ökonomisch gesehen ist Erneuerung allerdings langfristig vorteilhaft und materiell schlicht unumgänglich. Selbstverständlich kommt es dabei darauf an, wie man es macht – aber zentral bleibt die Erkenntnis, dass jede Erneuerung einschneidende Veränderungen bringen kann. Das sehe ich auch bei einer der Genossenschaften, in denen ich Mitglied bin. Sie gibt sich enorme Mühe, Erneuerungsprozesse sozial- und umweltverträglich ablaufen zu lassen und kann Verwerfungen dennoch nicht ganz vermeiden.
Die bittere Wahrheit ist, dass wir immer noch nicht wissen, wie man das optimal macht. Die Forschung hat riesige Fortschritte beim ökologisch und energetisch vorbildlichen Bauen erreicht und viele Bauträger wissen auch, wie man sozialverträglich baut. Aber es schleckt keine Geiss weg, dass jede Erneuerung… siehe oben. Und genau hier setzt die Idee zu einer neuen Stiftung an, eine Stiftung, die unter demselben Druck und denselben Bedingungen, denen auch andere Bauträger ausgesetzt sind, herausfinden soll, wie das geht – ganz einfach, weil dies im Stiftungszweck steht, und bei allen anderen nicht. Dies tut dringend Not: Wir müssen herausfinden, wie man Stadterneuerung macht, die den Ansprüchen an Umwelt- und Sozialverträglichkeit genügt und ökonomisch bewältigbar ist – unserer Stadt zuliebe, aber auch mit Blick auf die globale Entwicklung, in der ja immer mehr Menschen in Städten leben. Nun hat «Einfach Wohnen» endlich Fahrt aufgenommen und liefert erste Resultate. Ich bin froh, dass es sie gibt. Politisches Gewäffel hin oder her.
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