Besinnliche Geschichte in besinnlicher Zeit. Und darum muss ich Ihnen nun endlich mal erzählen, wie ich einem Mann der Kirche beinahe eine reingehauen hätte. Und das kam so: Als Fraktionspräsident, der ich damals war, bekommt man so manche Einladung. So auch zur Vereidigung von frischen StadtpolizistInnen im St. Peter. (Warum ausgerechnet in einer Kirche, fragen Sie? – Gute Frage.) Und da ich ein Flair für Subkulturen habe, nutzte ich die Gelegenheit für einen Einblick in diese sagenumwobene Welt. Ich bekam unerwartet einen Platz in der ersten Reihe, zwischen dem Kollegen vom stolzen Freisinn und dem Grossmünsterpfarrer, denn merke: An solchen Anlässen herrscht noch eine mittelalterliche Ordnung, will heissen, alle Stände sind vertreten. Wie Frau Meloni sagen würde: Gott, Vaterland, Familie.
Noch leicht schwindlig ob so viel Ehre fiel mir plötzlich und mit Befremden auf, dass fast alle ausser mir bewaffnet waren. Fette Knarren an allen Hüften, Ehrendolche, die geschwenkt wurden, man hätte meinen können, es sei Waffenmesse und nicht eine Feier in einem Sakralbau. – Ich muss hierzu etwas klarstellen: Meine Äquidistanz zur Institution Kirche ist, obschon ich vor rund 40 Jahren Redaktor beim Zürcher Kirchenboten war, denkbar gross. Aber man muss gewiss nicht fromm sein, um die Symbolik von Waffen in einer Kirche pervers zu finden. Kirchen sind Zufluchtsorte, auch heute noch, wie etwa die Schutzsuche von AsylbewerberInnen vor gut zehn Jahren in der Predigerkirche beweist. Verfolger (auch polizeiliche) haben dort keinen Zutritt. Man nennt das Kirchen- oder Heiligtumsasyl, und das kennen und respektieren nahezu alle Kulturen. Waffen sind in Kirchen daher so angebracht wie ein Furz im Lift.
Die Zeremonie war ein bisschen langweilig und ein bisschen peinlich, aber was willst du: Subkulturen sind, wie sie sind. Danach ging’s auf den Kirchenhof zum Smalltalk, und da der Herr Pfarrer grad etwas verloren in der Gegend herum stand, ging ich zu ihm hin und sprach ihn auf das Thema an, in der Annahme, dass ich da einen Bruder im Geiste finden würde. – Weit gefehlt. Auf mein pazifistisches Gejammer hin fräste er mir quer übers Maul: Erstens sei ich da an den Falschen geraten, da alter Feldgeistlicher, zweitens sei auch Zwingli durchs Schwert gestorben (weshalb die alte Kriegsgurgel heute noch mit einem Zweihänder hinter der Wasserkirche steht), und drittens, Matthäus 10,34, sei auch unser Herr Jesus nicht gekommen, den Frieden zu bringen, sondern das Schwert. Ich musste kurz leer schlucken, aber dann kam der Geist über mich und wir begannen zu streiten, ich mit Argumenten, er mit god on his side, aber es war doch eher brotlos. Und so ganz nadisna wuchs in mir der dringliche, ich würd’ mal sagen: alttestamentarische Wunsch, die Debatte mit ein paar herzhaften Ohrfeigen zu beenden.
Ich muss hierzu etwas klarstellen: Ich bin ein mordsmässig friedliches Wesen. Meine letzte Prügelei war zu Pausenplatzzeiten. Aber ich bin der festen Überzeugung, dass man den Menschen die eigene Medizin zu schlucken geben soll, weil sie da am besten wirkt. Wie hätte ich seinem Standpunkt mehr Respekt zollen können als durch die kurzzeitige schlagkräftige Übernahme seiner Argumente? Eben. – Ich hab’s dann natürlich nicht getan. Er hatte mehr Kampfgewicht, und er sah zudem nicht danach aus, als ob er auch noch die andere Backe hinhalten würde. So trollte ich mich und erinnerte mich daran, dass bekanntlich noch keine Waffe auf dieser Welt auch nur eine einzige Person getötet hat. Es waren immer die Menschen dahinter, gell? Darum: Friede auf Erden, und kommen Sie gut ins neue Jahr!
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