Artikel, p.s. Zeitung

Mangellage

Eigentlich liegen alle Karten schon lange auf dem Tisch. Die fossilen Energien haben hierzulande ausgespielt, ihr Ende ist nur noch eine Frage einiger Jahre, AKW sind und bleiben weder erneuerbar noch ökonomisch noch im Moment politisch durchsetzbar, es fehlt an Winterstrom, und es gibt eine Reihe von Rezepten, wie man Abhilfe schaffen könnte. Die meisten davon sind reine Interessenvertretung oder Machtgehabe, und es gehört auch zum Handwerk, dass man die Rezepte des Gegners zünftig abkanzelt. So zum Beispiel beim Solarexpress, wo die Linken schon seit Jahrzehnten sagen, dass man nicht nur fürschi machen muss, sondern sie sagen auch wie, nämlich mit Photovoltaik auf bestehenden Infrastrukturbauten, und sie haben auch nachgewiesen, dass das ausreichen würde. Aber das wäre ja nicht im Interesse derer, die den Solarexpress unbedingt über ein paar Naturschutzgebiete und Alpenwiesen rollen lassen wollen, oder die ihre sinnlosen AKW-Projekte im Nachhinein vergolden wollen, oder die vernebeln wollen, dass der Bundesrat das Stromabkommen mit der EU vergeigt hat, oder die ganz einfach nicht zugeben können, dass die Mangellage so gesehen eine reine Drohkulisse ist. Und wie immer geht es auch darum, den Schwarzen Verhinderungs-Peter weiterzugeben, was dann so lustige Blüten trägt wie etwa den Hotelier Bodenmann, der in Zeiten steckengeblieben ist, wo das Schimpfen auf die Grünen noch geholfen hat.

Wir erleben eine verdrehte Art des Machtkampfs in verschiedenen Formen: Lufthoheit über den Stammtischen («Die Zuwanderung ist schuld!»), Kochen eigener Süppchen («Endlich können wir mal diese doofe Restwassermenge bodigen!»), oder taktisches Schwächen des Gegners («Der Landschaftsschutz schadet unserer Energiewirtschaft!»). Man gibt sich als Opfer («Uäääh! Denkverbot!») oder pflegt, wie Bundesrat Rösti, seine versteckte (Atom-)Agenda. Und natürlich war Wahlkampf, da ist eine Debatte sowieso unmöglich. Nur eines will man nicht: Das Problem anpacken. Was es denn erst zu einem macht. –  Muss ich mich denn unbedingt wiederholen? Ich find’s ja selber langsam langweilig: Stromsparpotenzial von über 30 Prozent subito realisieren, Verschwendung subito abstellen, am einfachsten mittels Verboten, Elektroautos besteuern, kluge Konzepte wie etwa «ewz.solarzüri» schweizweit einführen, Solardachpflicht ausweiten, in Netzstabilität investieren, Stromabkommen mit der EU schliessen, hab ich was vergessen? Ach ja: Klug wählen, aber das ist jetzt schon um die Ecke.

Wenn man am Wahlabend bestimmten Parteipräsidenten zugesehen hat, wie sie ganz süferli den Boden für neue AKW bereiten wollten, indem sie ominös von CO2-freier Erzeugung schwadronierten, aber Atommüll damit meinten, dann ahnt man, wie mühsam die nächsten Jahre werden. Man kann zusehen, wie langsam, aber sicher am Framing für «Lösungen» gewerkelt wird, die weder nachhaltig noch ökologisch sein werden. Es stimmt schon: Der Ukrainekrieg hat unserem Mut zu möglichst lokaler und gänzlich fossilfreier Energieversorgung einen gewaltigen Dämpfer verpasst. «Versorgungssicherheit» ist wieder prägend auf der Agenda und wird zur Angstmache eingesetzt. Was dann so groteske Folgen hat wie diejenige, dass der Import von Flüssiggas sich als eine ökologische Katastrophe entpuppt, schlimmer noch als Kohle. Derweil nehmen die globalen Temperaturen weiter zu, und sogar das Ozonloch meldet sich zurück. Rückschritt statt blühende Landschaften. Und die Mangellage bei der Zeit wird immer schlimmer.

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