Artikel, p.s. Zeitung

Grundrechte

Nein, wir sprechen nicht bloss von Landwirtschaft, das geht schon etwas tiefer. Wir reden von Grundrechten. Am 28. Juli 2010 erklärten die Vereinten Nationen in einer völkerrechtlich nicht bindenden Resolution den Anspruch auf sauberes Wasser zum Menschenrecht. Immerhin. Bloss, einklagbar ist das nicht. Aber das Recht auf Wasser ist das grundsätzlichste aller Rechte, denn Wasser (und notabene Boden und Luft) ist durch nichts zu ersetzen. Wir sind abhängig. Und nun ist es sogar bei uns in der Schweiz gefährdet, weil wir uns eine Landwirtschaft leisten bzw. teuer subventionieren, welche dieses Grundrecht tagtäglich einschränkt, nicht aus schlechtem Willen, nicht weil die LebensmittelproduzentInnen uns schaden wollen, sondern weil das Produktionssystem falsch aufgegleist ist. Adorno hatte Recht: Es gibt kein richtiges Leben im falschen. Natürlich sagen jetzt sogar die Biobäuerinnen und Biobauern mit Empörung, auch sie kämen halt nicht ohne «Pflanzenschutzmittel» aus, und was wir denn eigentlich wollten: Nahrung oder Ideologie? Aber das ist nicht nur die falsche Frage, sondern es ist auch die falsche Front. Es ist ja nicht die Schuld der Bäuerinnen und Bauern, dass sie vor die perverse Alternative gestellt werden, nämlich, entweder vergifte ich meinen Boden und euer Trinkwasser, oder dann verhalte ich mich naturgerecht und muss womöglich meinen Betrieb aufgeben. Es ist schade, dass die Debatte über die beiden Landwirtschaftsinitiativen falsche Fronten generiert, weil wir nicht fähig sind, die wahren Gegner auszumachen, etwa Giftproduzenten, LobbyistInnen, falsche Beratung. Eine Nahrungsmittelproduktion, welche die Menschen vor eine solche Alternative stellt, kann gar nicht auf Dauer bestehen, weil die Natur nicht mitmacht. Und vor allem: Damit wird das Grundrecht auf Trinkwasser still und unheimlich ausgehebelt. Ein Grundrecht auf saubere Böden gibt es meines Wissens übrigens gar nicht oder höchstens indirekt, dabei leben wir alle auf und von solchen Ressourcen, und wenn ein Boden mal zur Sau ist, kann er nicht mehr oder nur mit allerhöchstem Aufwand wieder nutzbar gemacht werden.

 

Natürlich gilt Ähnliches auch für das Klima. Nicht nur, weil die Folgen gleich dramatisch sind, nicht nur, weil auch das Klima nicht substituierbar ist und es nur schon darum pervers ist, dass eine Minderheit der Menschheit zu Lasten der gesamten Menschheit das Klima in einer beispiellosen Art verändert. Das beeinträchtigt aber nicht nur die Rechte von Menschen weltweit, sondern das Ganze hat auch eine zeitliche Komponente. Zu reden ist nämlich auch von den Grundrechten künftiger Generationen. Das deutsche Bundesverfassungsgericht hat kürzlich ein aufsehenerregendes Urteil gefällt: Das Gericht, das unter anderem von KlimaaktivistInnen angerufen wurde, verpflichtet den Gesetzgeber dazu, einen Ausgleich zwischen dem Freiheitsge-(oder wohl eher -miss)brauch der heutigen Generation und klar erwartbaren Schadenslasten für künftige Generationen zu finden. Das gibt dem inhaltsleeren Begriff der Verantwortung eine neue Brisanz. Sich, wie das die Brundtland-Kommission schon 1987 forderte, tatsächlich heute so zu verhalten, dass die Chancen künftiger Generationen nicht beeinträchtigt werden, macht schlagartig Schluss mit So-wie-bisher. Die Ethik hat Justitia eingeholt. Das lässt hoffen.

 

Jetzt müssen wir nur noch das kranke Bundesgesetz für polizeiliche Massnahmen zur Bekämpfung von gefährlichen Zwölfjährigen bodigen, und alles wird gut.

 

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