Am Anfang war das Wort, und das lautet auch dieses Jahr, wie immer nach der Sommerpause: Herr, der Sommer war sehr gross. Und wie immer spielte das Wetter verrückt, was das neue Normal ist und kaum mehr erwähnenswert, aber manchmal wird man doch noch ein kleines bisschen stutzig, etwa wenn man liest, dass es im Kanton Zürich in heissen Jahren ohne Weiteres bis zu einer halben Milliarde Franken volkwirtschaftlichen Kosten durch verringerte Arbeitsproduktivität kommt. Und da die bürgerlichen Klimaleugner:innen ja immer gerne als Schutzbehauptung die «wirtschaftliche Tragbarkeit» vorschieben, wenn es um Massnahmen gegen die Klimakatastrophe geht, würde mich schon Wunder nehmen, was an 500 Millionen weniger BIP denn wirtschaftlich tragbar ist, mal abgesehen vom Leid hinter der Zahl, denn sie umfasst auch vorzeitige Todesfälle.
Demnächst stimmen wir über eine der überflüssigsten Vorlagen ab, die es je gab, nämlich, ob sich der Kanton Zürich, obschon wir uns eigentlich bereits dafür entschieden haben, bis 2040 oder dann halt doch später, also vermutlich gar nie, in Richtung Netto Null bewegen soll. Dahinter kein Rückzugsgefecht und Verzögerungsmanöver zu sehen, fällt schwer, und es muss hier nicht gross betont werden, dass schon 2040 eigentlich zu spät ist und dass dieses Stichjahr umgekehrt ein grosser Treiber für all die wirtschaftlichen und technischen Innovationen sein würde, von denen der Kapitalismus am Sonntag ja immer schwärmt. Wenn wir aber Nein zur Vorlage sagen, wird es heissen, der Klimawahn könne noch etwas zuwarten, vielleicht ja, bis sich das alles von alleine einrenkt. Der französische Philosoph Bruno Latour nennt das in seinem «Terrestrischen Manifest» einen kaltblütigen Verrat «und zwar von denen, die den Plan, den Planeten wirklich und gemeinsam mit den anderen zu modernisieren, aufgegeben haben, weil sie vor allen anderen wussten, dass eine solche Modernisierung gar nicht möglich ist – eben weil der Planet für ihre Träume von einem Wachstum für alle nicht ausreicht». Meister darin ist, wen wundert’s, Donald Trump, der nicht nur, wie Latour meint, mit dem Ausstieg aus dem Pariser Klimaabkommen der ganzen restlichen Welt den Krieg erklärt hat, sondern der es jüngst in einem, man muss schon sagen: wirklich ausgekochten Coup gelungen ist, Europa mit seiner Erpressung, wir müssten ihm mehr Flüssiggas abkaufen, sonst werde er uns sicherheitsmässig verarschen, sogar noch zu einem regelrechten Anti-Paris-Kurs zwingt! Chapeau.
Doch zurück zum Kanton Zürich, den wir in Anbetracht solcher und vieler weiterer Verleugnungsbemühungen wirklich langsam in unsere Finger bekommen sollten. Nächstes Stichdatum sind die Wahlen 2027, und es wäre toll zu hören, (wie das leise Gerüchte dahinsäuseln), dass nicht nur die SP mit neuen Kräften antreten will, sondern dass auch die Grünen an zwei Kandidaturen für die Regierung herumdenken. Der Zeitpunkt dafür wäre in Anbetracht all der anstehenden Rücktritte strategisch mehr als günstig, und eine Person wie zum Beispiel Marionna Schlatter wäre denkbar geeignet. Die Chancen für eine rot-grüne Mehrheit sind selbstverständlich nicht riesig, aber wie man so sagt: intakt, Martin Neukom hat’s vorgemacht. Und Sie wissen ja: Wer nicht kämpft, hat schon verloren. In Anbetracht dessen, «dass die gesamte Politik der Gegenwart auf das Problem der Klimaverleugnung fokussiert ist», um noch einmal Latour zu zitieren, wär das mehr als nur richtig. Der Kampf möge beginnen!
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