Artikel, p.s. Zeitung

Die soziale Frage

Sehr schön. Die Handbremse ist gelöst. Es geht, endlich, los! Und schon wird gemeckert. Beziehungsweise es wurde schon vor den Wahlen gemeckert: Die neue Mehrheit (die natürlich keine ist) müsse jetzt vernünftig und vorsichtig sein, dürfe es ja nicht übertreiben und müsse sich ein Beispiel an den Rechtsbürgerlichen nehmen, die es vor vier Jahren übertrieben hätten und nun dafür blutig bezahlen mussten. Vor allem in der Klimafrage müsse man nun besonnen und wohltemperiert vorgehen und die arme Bevölkerung, die ja sowieso schon hochverschuldet sei, nicht plagen. Es gebe ja noch so etwas wie eine soziale Frage der Klimawandelbekämpfung.

 

Und plötzlich, man reibt sich die Augen, gilt die SVP als Erfinderin der sozialen Frage, gell AL! Die Kosten der Bekämpfung der Klimakatastrophe seien gigantisch und wir würden das verschweigen. Das Volk verarme und werde sich ob all der klimamarxistischen Massnahmen noch massig aufregen. Und die Grünen in vier Jahren abstrafen.

 

Das kann durchaus sein. Aber es wäre ein Missverständnis. Der SVP nehme ich das nicht übel, die machen erstens schon wieder Wahlkampf und haben zweitens eh nichts begriffen. Aber wenn Linke dem auf den Leim kriechen und Ähnliches von sich geben, haben sie so einiges vom Ziel eines System Changes nicht verstanden. Daher nochmals laut und deutlich: Die monetären und sozialen Kosten des Klimawandels sind um ein Mehrfaches höher als seine Vermeidung. Fragt mal die Menschen in der dritten Welt, die vom Klimawandel besonders betroffen sind! Denn: Der Lebenswandel sogar der Ärmsten in unserer Gesellschaft bewirkt, dass die Armen global noch weniger haben. Das ist die soziale Frage jenseits unseres Tellerrands. Dass innerhalb dieses Tellerrands eine zunehmende Ungleichheit herrscht, ist damit ja noch nicht bestritten worden und bleibt Gegenstand der Tagespolitik. Aber mit dem grünen Wahlsieg hat das nun wirklich rein gar nichts zu tun. Die Machtfrage bleibt so wie sie schon immer war.

 

Apropos Macht: Die entscheidende Frage ist: Wie lenken wir diese Kosten auf die richtigen Kostenträger? Wann endlich gelingt es uns, die immensen externen Kosten, die heute von uns allen getragen werden, auch von den MieterInnen, den SozialhilfeempfängerInnen oder den Nicht-FliegerInnen, auf die Kostenverursachenden zu überwälzen? Also dorthin, wo sie hingehören. Und umgekehrt: Wie verteilen wir die jährlich 13 Milliarden Franken, die wir künftig nicht mehr für fossile Energien ausgeben werden? Oder die über 12 Milliarden, die wir beim Umweltschutz einsparen könnten, oder die 10 Milliarden ungedeckte Kosten des Strassenverkehrs, wenn sie verursachergerecht gedeckt sind? Um nur ein paar Beispiele von vielen zu nennen.

 

Diese Wahlen haben es gezeigt: Die Bevölkerung betrachtet die ökologische Frage als Hauptwiderspruch, und sie ist nur gerecht, also unter Berücksichtigung der sozialen Frage, zu lösen. Etwas anders haben wir nie behauptet. Der Auftrag ist klar, sogar wenn es den AuftraggeberInnen dereinst grausen sollte; das dann aber auch nur, weil wir die Deutungshoheit über die Folgen des Auftrags den Rechtsbürgerlichen überlassen. Dass diese ihr bisheriges System verteidigen und den Teufel an die Wand malen, ist ja klar, sie profitieren davon. Dass der System Change ein besseres Leben für alle bringen muss, ist aber ebenfalls evident. Dass wir dabei die Welt retten, ist ein willkommener Kollateralnutzen. Wenn das nun endlich deutlich wird, hat sich der grüne Wahlsieg gelohnt.

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