Ich freue mich schon auf den grossen Streik. Das wird ganz bestimmt eine überwältigende Sache. Schon letztes Mal war’s toll. Obschon ich das eigentlich nicht so richtig behaupten kann, denn erstens ist es schon eine Weile her und zweitens war ich an diesem Tag in einem Hort beschäftigt. Zum Glück kam nur die Hälfte der Kinder, ich hätt’s sonst wohl nicht überlebt. Und ja, vermutlich war die Aushilfe, sagen wir mal: halblegal, aber es war der Hort, in den auch meine Kinder gingen und die Aktion war den Eltern bekannt.
Es gibt ja genug Gründe zum Streiken. Und genug unterschiedliche Streikformen, so dass sich alle beteiligen können. Es ist erschütternd, dass die Anzahl Gründe seit 1991 nicht abgenommen hat, ganz im Gegenteil. Die «feministische fakultät» hat dazu ja ein paar aktuell aufbereitete Zahlen geliefert: 100-248-1. Heisst: 100 Milliarden Franken Lohnverlust für die Frauen, pro Jahr notabene, wegen tieferen Löhnen; 248 Milliarden Lohnverlust pro Jahr wegen unbezahlter Carearbeit – und 1 Milliarde ist die Anzahl unbezahlter Arbeitsstunden alleine in der Kinderbetreuung. Damit Sie eine Vergleichsgrösse haben: 2017 betrug das BIP im Land 668 Milliarden Franken. Wichtig sind solche Zahlen auch wegen der Debatte über die Altersvorsorge, die nach der leider angenommenen STAF-Vorlage schon wieder gewaltig in die falsche Richtung läuft. Denn, und das ist alles andere als neu, all dieses Geld fehlt nicht nur im Arbeitsleben, sondern natürlich auch und besonders danach. Dass unsere Verfassung bezüglich den Zielen der Altersvorsorge etwas anderes vorschreibt, dieser fortwährende Verfassungsbruch ist alleine schon ein Streik wert. Und dass die andauernde Ausblendung des grössten Brockens in der nationalen Ökonomie, der Carearbeit, zu massiven Verzerrungen in den Modellen und Argumentationen in der Politik führt, ist extrem ärgerlich, nicht nur für Frauen.
Was nichts kostet, ist nichts wert. Das gilt auch und ganz besonders für die unbezahlte Arbeit. Deswegen ist ein Streik die richtige Massnahme. Streiks sollen ja nicht zuletzt zeigen, was passiert, wenn die als selbstverständlich angenommene Dienstleistung ausbleibt. Es ist dabei nicht von Bedeutung, ob wir uns die überhaupt leisten können. Wir tun es ja, nur einfach mit dem Haken, dass diejenigen, welche diese Arbeit verrichten, nicht gefragt werden. Als Dank schwafeln wir dann von einer Verlängerung des Arbeitslebens auch bei Frauen auf 65 und faseln dabei auch noch von einem ‹Kompromiss›.
Diese Debatte läuft wirklich gewaltig schief, auch bei den Linken, bis hinauf zum Bundesrat. Und besonders ärgerlich ist dabei, dass es ja eine Lösung gäbe, die vergleichsweise geradezu fair ist, einfach umsetzbar, sofort wirksam, zudem sozialverträglich und gut für den Generationenvertrag, und wenn Sie’s unbedingt brauchen, sogar liberal: Eine Erbschaftssteuer 2.0.
Klar, die Sache hat einen kleinen Haken, sie wurde schon einmal vom Volk abgelehnt. Aber wenn wir alles sogleich begraben würden, was schon mal abgelehnt wurde, könnten wir uns die Gleichberechtigung ohnehin ans Bein streichen. Wobei ok., die wurde nie abgelehnt, sondern nur einfach nicht umgesetzt. Dennoch: Eine Erbschaftssteuer könnte den gordischen Knoten unserer verlogenen Altersvorsorgedebatte durchschlagen. Ich hoffe fest darauf, dass jemand einen zweiten Anlauf unternimmt und dem Trauerspiel ein Ende bereitet. Vielleicht ist der Frauenstreik ja der Beginn einer wunderbaren Entwicklung. Zeit wärs.
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