Man lernt ja nie aus. Ich wusste zum Beispiel nicht, dass es einen political representation gap gibt. Scheint aber so. Die Qualitätszeitung machte eine Umfrage, und sage und schreibe zwei Drittel der Teilnehmenden sagten, dass sie der Regierung und dem Parlament nicht oder wenig trauen würden. Höchst erstaunlich waren dann aber die zitierten Gründe, denn mit einer Ausnahme waren sie alle linkes Gemecker: Der Rösti regiert ja mittlerweile wie Donald Trump, der F-35 ist ein Schwindel, es gibt zu viele Lobbyist:innen im Parlament, der Bundesrat ist eine Bande von Weicheiern und die hiesigen Polizeikorps alles Rassist:innen, das Recht des Stärkeren löst den Rechtsstaat ab, unsere Neutralität ist nur noch pseudo, die soziale Ungleichheit nimmt zu, die Reichen werden verhätschelt und wir bezahlen die Zeche, alle hacken immer auf den Alten herum, und überhaupt, dieser Rechtsrutsch momentan ist voll daneben. Echt sympa, dieses Volk!
Mal abgesehen davon, dass dies alles wie eine Steilvorlage für linke Parteien aussieht, die diese Stimmung nun ‹nur› noch schnell in Wahlerfolge ummünzen müssen: Die politischen Bäume wachsen natürlich nicht in den Himmel, und in einem Punkt besteht gröberer Dissens. Die Zuwanderung wird ebenfalls angeprangert und für die Mietmisere, Gewaltdelikte und eine generelle «Benachteiligung» von uns Einheimischen verantwortlich gemacht. Das, so scheint es, ist mittlerweile eine salonfähige Mehrheitsmeinung geworden, auch wenn man hier einwerfen darf, dass die Umfrage nicht repräsentativ gewesen war. Was so manches erklärt, aber dennoch ein Stimmungsbild liefert. Nur: Was soll eigentlich die komische Frage, ob ich dem Parlament oder der Regierung traue? Ist Vertrauen eigentlich eine angebrachte Grösse, um mein Verhältnis zur institutionellen Politik auszudrücken? (Mal ganz abgesehen davon, dass dieses Parlament voll vertrauenswürdig ist: Es beschliesst mit höchster Zuverlässigkeit das Gegenteil von dem, was ich will.) Daniel Strassberg hat letzthin in einer Kolumne über Vertrauen und Verrat geschrieben. Er ist der Ansicht, dass dies keine Gegensätze, sondern einander bedingende Gegenpole seien. Man kann sich nur verraten fühlen, wenn man zuvor vertraut hat. Mag sein, aber nicht in der Politik. Wieso macht der Volksmund einen Unterschied zwischen «vertrauen» und «blind vertrauen»? Und wenn nicht blind, dann eben doch mit etwas Kontrolle? (Sie wissen schon: Lenin! «Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser!») Und bedeutet «Gottvertrauen» nicht sogar Verzicht auf die eigene Souveränität? Sollten wir nicht einfach «gesunde Skepsis» bevorzugen – und nicht mehr überrascht, geschweige denn angepisst sein, wenn der Rösti sich halt verhält, wie man das spätestens seit Ueli Maurer von SVP-Bundesräten gewohnt ist, nämlich… naja, lassen wir das. Zudem ist auch Verrat ohne Vertrauen möglich, der Bundesrat macht das ja mit erstaunlicher Häufigkeit vor, nur verrät er vielleicht nicht mich, sondern die Verfassung, den gesunden Menschenverstand oder die künftigen Generationen. Aber so oder so habe ich nicht vor, allzu viel Vertrauen in ein System zu legen, das all den obgenannten Mängeln und Fehlentwicklungen nichts entgegenzusetzen weiss – oder das gar nicht will. Der political representation gap ist nur durch die Wahl of a new representation zu schliessen, das scheint mir evident. Warum das die Menschen alle vier Jahre schlagartig vergessen, ist mir dann allerdings schleierhaft.
Der Beitrag Zweifel an der Regierung? erschien zuerst auf P.S..
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