Ich wiederhole mich. Aber das macht nichts. Das, was Optimist:innen «Fortschritt» in Gesellschaft und Politik nennen, ist ja in der Regel nur eine ewige Wiederholung desselben, solange reaktionäre Kräfte stärker sind. Das hab ich hier schon oft beklagt, egal ob bezüglich Energiepolitik – echt jetzt, Rösti: Atomkraftwerke!?! –, bezüglich Klimapolitik – echt jetzt, SVP: «Klimawahnsinn»!?! – oder um diverse rückwärtsorientierte Bewegungen in der Politik geht. Letzthin waren wir an der Architekturbiennale in Venedig und haben dort an gefühlt jedem zweiten Stand gelesen, dass man unbedingt mit der Natur und nicht gegen sie bauen sollte. Wahnsinn. Wenn ich dagegen in unserer Stadt herumschaue, sehe ich eher phantasielose Renditekisten. – Wir wissen längst genug, um alle global überleben und gut leben zu können. Bloss, dass das alles ein bisschen unrealistisch scheint, weil immer genügend gegenläufige Interessen im Spiel sind. Optimismus erweist sich in diesem Sinne als naiv, weil es nicht um Wissen, sondern um Macht geht.
Wie angetönt: Es gäbe dafür tausend Beispiele. Aber weil es gerade etwas untergeht unter all den schlechten Nachrichten, die wir als Medienkonsument:innen täglich verdauen müssen, möchte ich hier kurz das Plastikproblem antippen. Denn, wie Sie wissen, ist grad kürzlich, am 15. August in Genf (mal wieder, ist man versucht zu sagen), eine globale Übereinkunft der Vernunft zur Reduktion des Plastikwahnsinns – nicht zustande gekommen. Während 2022 noch sämtliche Staaten in der UNO-Umweltversammlung eine Resolution zur Beendigung der Plastikverschmutzung verabschiedet hatten, passiert nun, nach sechs Verhandlungsrunden: nichts. An der Konferenz sollen mehr Lobbyist:innen der Kunststoffindustrie teilgenommen haben als europäische Diplomat:innen (und ja, man darf sich fragen, warum überhaupt solche Leute zugelassen sind). Manche Länder integrierten praktischerweise die Lobbyfritzen grad in ihre Delegationen. Vor allem einige arabische Staaten, die sehr wohl gemerkt haben, dass das Zeitalter von Erdöl und -gas langsam zu Ende gehen könnte, setzen nun offenbar auf den Plan, wenigstens noch für die Plastikproduktion Erdöl produzieren und verwenden zu können. Aber auch die USA setzten sich an der Konferenz in Genf mehr fürs Geschäft ein als dagegen. Dabei ist eigentlich allen klar, dass es nicht nur darum geht, die Plastikverschmutzung in der Umwelt zu reduzieren und PET-Gütterli zu recyclen, sondern dass man an der Quelle ansetzen, also die Produktion reduzieren muss. Zudem wären längst schon Alternativ-Kunststoffe verfügbar oder zumindest bekannt, die aber nicht auf der Basis von Erdöl hergestellt werden, also nicht gut fürs Geschäft sind.
Die Folgen sind bekannt: Plastik, meist in Form von Mikroteilchen, die all die Giftstoffe enthalten, die in Kunststoffen drin sind, ist mittlerweile in der gesamten Nahrungskette, in der Luft und in allen Organismen nachweisbar. Wie ich einer Grafik aus dem Tagi von 2020 entnehme, essen auch Sie jede Woche 5 Gramm Plastik. Scheint nicht viel, ist aber das Gewicht Ihrer Kreditkarte. Was das in uns anrichtet, ist zwar noch nicht im Detail klar, aber gemäss der medizinischen Fachzeitschrift «The Lancet» entsteht alleine durch Krankheiten und Todesfälle durch Plastik ein jährlicher globaler Schaden von 1,5 Billionen Dollar. Dreimal winken, wer trotzdem findet, das sei ja nur eine Meinung, da sei noch lange nichts bewiesen. Optimismus ist schön.
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